„Irgendwann ist man ausgebrannt“

5. April 2018

Als Rainer Schulze sich 1989 in den wichtigsten Posten der Fußballer der TSG Calbe wählen ließ, gab es noch zwei deutsche Staaten. „Westen“ und „Osten“ waren noch viel mehr als heute politisch geprägte Kampfbegriffe und auch Schulze war freilich noch ein ganzes Stückchen jünger.

Fußball und die TSG Calbe gehen seit fast 30 Jahren fest Hand in Hand mit dem Namen Rainer Schulze. Es ist wahrlich nicht dick aufgetragen, wenn man sagt: Der heute 63-Jährige hat den Fußball an der Saale als Abteilungsleiter maßgeblich geprägt und mitbestimmt. „Ich habe es mit aufgebaut“, sagt er. Nicht voller Eigenlob, sondern mit dem Tonfall des blanken Feststellens. „95 Prozent der Bandenwerbung habe ich mitorganisiert, da haben sich auch Freundschaften entwickelt.“

Und nun will Schulze aufhören, also vielleicht. Einfach so. Am Heger könnte eine kleine Ära zu Ende gehen. Am 25. Mai stehen bei den Fußballern der TSG Calbe die ersten Vorstandswahlen seit 2013 an. Der Wunsch kam aus der Nachwuchs-Abteilung. Auch der Posten des Abteilungsleiters, den Schulze mit einer Unterbrechung von 2006 bis 2008 eben seit 1989 inne hat, steht zur Verfügung. „Ich überlege, ob ich mich zurückziehe“, sagt Schulze. Gibt es bessere Kandidaten, ist das Calbenser Urgestein weg.

Warum er mit sich ringt? Natürlich ist Schulze nicht mehr der Jüngste, aber das ist nicht entscheidend. „Es gibt Zeiten, wo es Kleinkriege innerhalb der Übungsleiter gibt, wo man keine Lust mehr hat, zum Heger herunterzugehen, weil man weiß: Da warten nur wieder Probleme. Da fragt man sich manchmal: Warum tust du dir das an?“ Und weiter: „Wer das so lange Zeit gemacht hat wie ich, kann sicherlich nachvollziehen, dass man irgendwann einmal ausgebrannt ist.“

Dass der Entschluss nicht endgültig ist, liegt aber auch daran, dass Rainer Schulze kein Mann ist, der Türen einfach geräuschvoll aus den Angeln schlägt und es dann seinen Nachfolgern überlässt, diese wieder einzuhängen. Er trägt Verantwortung und weiß diese auch zu schätzen. „Ich habe über einen Zeitraum von 30 Jahren etwas aufgebaut, das wirft man nicht einfach hin.“ Vieles hängt auch davon ab, ob überhaupt Bewerbungen hereinfliegen. Denn bisher herrscht da Ebbe. „Bis heute hat sich keiner gemeldet“, sagt Schulze. Er befürchtet, dass Plan B greifen muss. „Dann muss ich vielleicht notgedrungen weitermachen.“

Dass der Elan nicht mehr so groß ist, liegt aber nicht nur an den Kleinkriegen im Verein, auch die generellen Entwicklungen im Fußball geben ihm zu denken. „Wir hier unten haben finanziell zu kämpfen und beim DFB werden Millionen investiert. Wir kämpfen um jeden Euro und da wird das Geld zum Fenster herausgeworfen. Hinzu kommt, dass die Anforderungen an die kleinen Vereine immer größer werden. Es geht oft nur noch darum, dass die Abgaben an den Verband höher werden oder wie viel Strafe ich für dieses und jenes zu zahlen habe.“ Ganz einfach: „Das ärgert mich.“

Ärgern will sich Rainer Schulze natürlich nicht mehr. Seine Zeit und seine Gesundheit sind ihm mittlerweile dafür zu schade. „Ich würde gern jungen dynamischen Leuten Platz machen.“ Es ist auch so: „Man muss ein dickes Fell haben und auch einmal unpopuläre Entscheidungen treffen. Aber auch wir sind nicht fehlerfrei.“ Das Herz des Rainer Schulze, es hängt noch immer an der TSG Calbe. Und ungewollte Trennungen sind immer hart. Aber manchmal muss auch ein Wind der Veränderung her. So wie 1989, als die Rockband „Scorpions“ in der politischen Wendezeit den „Wind of Change“ besang. Kommt der 25. Mai 2018, kommt Rat. Auch bei der TSG Calbe. Und vielleicht ein neuer Abteilungsleiter. Vielleicht aber auch nicht.

Quelle: Volksstimme Schönebeck vom 05. April 2018


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